Was wir von unseren Kindern über Achtsamkeit lernen können

Julia

Der Chefkoch steht in der Küche und schnitzt galant mit dem Messer eine rote Zwiebel in kleine Würfel. Während er jeden seiner schnellen Handgriffe erklärt hängt das Publikum gebannt an seinen Lippen. Kein Arbeitsschritt entgeht den wissbegierigen Augen. Als der Salat gewaschen wird ertönt ein beeindrucktes »Ohhh!«.

Der Chefkoch ist mein Freund Sascha, sein aufmerksames Publikum unser einjähriger Sohn Charlie.

Sie sehen was, das du nicht siehst

Junge Eltern befinden sich in der schmeichelhaften Lage, täglich jemanden beeindrucken zu können. Ihre kleinen Bewunderer schenken ihnen für Banalitäten aus dem Alltag das dankbarste Lächeln. Für aufrichtige Kinderaugen wohnt genau jener farblosen Normalität plötzlich ein neuer Zauber inne.

Aber was macht den Unterschied?
Was sehen Kinder, das uns Erwachsenen offenbar entgeht?

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Unser Alltag ist ihre Kindheit

Unser Leben ist unser Alltag. Und umgekehrt. Es sind nicht nur die Urlaube und Geburtstage. Es klingt so trivial und doch vergisst man es mit der Zeit.

Über den Satz »Unser Alltag ist ihre Kindheit« bin ich vor einiger Zeit bei Instagram gestolpert und irgendwie ließ er mich nicht mehr los. Ein Satz, der für mich alles irgendwie in eine andere Perspektive rückt. Der alles neu bewertet.

Seitdem ich Mama bin, habe ich neue Ansprüche an meinen Alltag

Viele Menschen denken mit Freude an ihre Kindheit zurück. Daran, wie Mama sie nach dem Baden ins Handtuch kuschelte oder an Papa, der Geschichten erzählte. Vielleicht aber auch an einen Papa, der nie zu Hause, sondern immer Arbeiten war.

Erst seitdem ich selbst ein Elternteil bin, verstehe ich so langsam, was die Erinnerungen an meine eigene Kindheit eigentlich zu bedeuten haben. Wie der Alltag meiner Eltern mit mir als Kind eigentlich ausgesehen hat und welche Familien-Logistik dahinter steckte.

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Sehen wir das Leben vor lauter Alltag nicht?

Ich habe ein Smartphone voller Listen und den Kopf voller Pläne. Steige in der Bahn genau dort ein, wo ich beim Aussteigen den kürzesten Weg zum Ausgang zurücklegen muss. Lebe gern in Berlin.

Vor meiner Schwangerschaft gab es kaum einen Tag, an dem ich nach der Arbeit direkt nach Hause gefahren bin. Immer gab es etwas zu erledigen, abzuholen, anzugucken, umzutauschen, zu besorgen oder jemanden zu treffen. Ich machte das gern, das durch die Stadt flitzen und mich dabei produktiv und organisiert fühlen.

»Alltag ist Treibsand, du steigst ab, je stärker du trittst.«
– Casper

Und doch möchte ich das irgendwie nicht mehr. Ich möchte meinem Kind nicht das Gefühl der Rastlosigkeit vermitteln. Möchte mir mehr Zeit für die scheinbar langweiligen Dinge des Alltags nehmen, die diese großen Kinderaugen doch mit solch einer Begeisterung verfolgen.

Alltag mit Kind Unser Alltag ist ihre Kindheit Kleinkind Einkaufen EinkaufswagenAchtsamkeit von Kindern lernen

Zwar müssen wir, vor allem als Eltern, natürlich an Morgen denken und ein gewisses planerisches Talent besitzen, aber die Achtsamkeit zu schulen täte uns Alltags-geplagten Menschen wirklich gut.

»Stress entsteht dadurch, dass du hier bist aber woanders sein willst.«
– Eckard Tolle

Wäre es nicht schön, wenn wir beispielsweise die lästigen Pflichten im Haushalt als weniger störend empfinden würden? Vielleicht ist die Belastung nur so groß, wie wir sie werden lassen. Unser Stress-Level liegt schließlich komplett in unseren Händen.

Räum’ den Geschirrspüler aus wie ein Mönch

Wenn du Dinge nicht ändern kannst, ändere deine Einstellung. Sagt man. Vielleicht bedeutet das übersetzt zum Beispiel: räume den Geschirrspüler mit der gleichen Begeisterung aus, wie dein Kind. Das klingt albern, aber ist es das? Solange unser kleinstes Familienmitglied solchen Spaß an den Aufgaben im Haushalt hat, sollte ich auf den Zug aufspringen. Denn auch diese Zeit wird irgendwann zu Ende sein.

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Mein Kind ist meine größte Inspiration

Ich glaube mein Alltag hat es verdient, dass ich ihm die Chance gebe sich noch mehr nach vollwertigem Leben anzufühlen. Auch ohne Palmen und trotz Schlange an der Supermarktkasse.

Wenn ich meinen kleinen Wirbelwind dabei beobachte, wie er hoch konzentriert durch ein Bullauge die rotierende Wäsche anstarrt, fühle ich eine seltsame Art der Inspiration. Auch für ihn wird die Magie der Waschmaschine irgendwann abklingen und der Staubsauger seine Augen nicht mehr zum Leuchten bringen.

Ein Alltag ohne Palmen, aber mit Schlange an der Supermarktkasse ist trotzdem toll

Solange jede Schneeflocke ein »Da!!« und jeder Vogel ein »Ohhhh!« bei meinem Sohn auslöst, möchte ich mich von seinem Anschauungsvermögen mitreißen lassen. Ja, mitreißen soll er mich und meinen Blick zum Ende der Straße lösen, hin zum Gänseblümchen, das so mutig zwischen den Pflastersteinen wächst. Hin zur kleinen Wolke am Himmel, die aussieht wie seine Idee von einem Hasen.

Unzählige eingefahrene Abläufe sind es Wert mehr zelebriert zu werden. Wir können dabei so vieles von der Sichtweise unserer Kinder lernen. Schenken wir den kleinen Dingen im Alltag mehr Aufmerksamkeit, erleben wir jeden Moment gemeinsam mit unseren Kindern gleich viel intensiver. Unseren Kindern und uns selbst zuliebe.

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