Ich swipe teilnahmslos durch meine Facebook Timeline, als mir plötzlich ein Foto ins Blickfeld rollt, das mich innehalten lässt. „Heute vor einem Jahr“ lautet die Überschrift des Bildes, auf dem ich grinsend den ersten Federweisser der Saison in die Kamera halte, während mir der Spätsommerwind durch die Haare weht. Ein besonderes Bild, denn an diesem Tag habe ich abgestillt.
Wenn das Baby sich selbst abstillt
Das Thema abstillen verlief bei uns wirklich unkompliziert. Im Gegensatz zum holprigen Start unserer Stillbeziehung haben wir dessen Ende ganz entspannt erlebt. Zuletzt gab es noch zweimal am Tag Milch aus Mamas Vorrat. Morgens nach dem Aufstehen und Abends vor dem zu Bett gehen. Jede Mahlzeit verlief gelassen und ruhig, nach ein paar Minuten Brustsaft war das Baby glücklich und zufrieden. Das finale abstillen hat Baby Charlie damals dann selbst eingeläutet.
Während Mama noch googelt weiß Baby schon alles, was man wissen muss
Er war damals etwas über 9 Monate alt und gerade als ich in die Phase kam zu recherchieren, wie man denn dann eigentlich mal irgendwann abstillen würde, wusste mein Kind bereits alles, was man wissen muss.
Ich tapste wie üblich eines müden Morgens ins Kinderzimmer, holte klein Charlie aus seinem Bettchen und setzte mich mit ihm aufs Still-Sofa. Als er dann allerdings gar nicht an mir interessiert war, sondern lieber spielend in den Tag starten wollte packte ich etwas irritiert meine einsatzbereite Brust wieder ein. Den Morgen darauf das gleiche Spiel. Am dritten Morgen bot ich meine Milch schon gar nicht mehr an. Was passierte hier eigentlich gerade…?
Uns blieb also zuletzt noch ein Stillmoment pro Tag. Als Teil unserer Abendroutine war es dieser schöne Moment der Zweisamkeit, den ich mittlerweile so genoss. Aber schon kurz nachdem unser morgendlicher Termin weggefallen war, war auch am Abend irgendwie die Luft raus.
Baby Charlie wirkte während des Stillens zunehmend unkonzentriert. So fummelte lieber in meinen Haaren herum oder ließ sich von jeglichem Geräusch ablenken, statt zielstrebig zu trinken. Da dämmerte mir, dass mein Baby offenbar endgültig dabei ist einen weiteren Schritt im Abnabelungsprozess von mir zu gehen. Mein Baby wird erwachsen… Auch wenn das Stillen am Abend nicht mehr so richtig seinen Zweck erfüllte, nahmen wir uns noch einige Tage diese Zeit, um beieinander zu sein und überwiegend zu kuscheln.
Stillbeziehungsende nach 10 Monaten
Als Charlie dann 10 Monate alt geworden war, war es Zeit für das endgültige Abstillen. Ich wollte es noch ein Mal richtig bewusst erleben.
„Kannst du ein paar Fotos von uns machen?“, fragte ich Sascha schon leicht emotional aufgeladen; wissend, dass ich mich vermutlich gern an diesen Moment zurückerinnern werden möchte.
Und so stillte ich Charlie ein letztes Mal. Mein Baby. Mein kleines kleines Baby, das doch noch vor ein paar Monaten gänzlich auf meinem Unterarm Platz fand und dessen speckige Beinchen mittlerweile quer über meinem Schoß lagen. Ich dachte an all die Nächte, in denen ich ihn alle drei Stunden stillte und mich währenddessen versuchte wachzuhalten. In denen ich hundemüde und am Rand meiner Kräfte war und manchmal auch darüber hinaus. Dachte an die Zeiten, an denen ich mich fragte, was in aller Welt am Stillen so toll sein soll, wo es doch in erster Linie so viele Einschränkungen und Anstrengungen mit sich brachte.
Ständig fragte ich mich, wie vielen Müttern es wohl gerade ähnlich erging wie mir. Wie viele wohl an sich und daran zweifelten, ob es denn auch das beste für die Mama war zu stillen. Ob die körperliche Belastung nicht irgendwann zu viel sei. Ich dachte an all die Unsicherheit und Frustration der ersten Wochen des Stillens. An die Nächte, in denen das Baby endlich mal länger schlief und ich dafür unter Schmerzen in einem von Milch durchnässtem Bett aufwachte. Da saß ich dann ein ums andere Mal in der Dunkelheit meines Bades und pumpte unter Tränen meine überfällige Milch ab.
Und dann dachte ich daran, wie sich praktisch unbemerkt alles irgendwie eingespielt hatte. Wie das Stillen nicht mehr 45, sondern nur noch 10 Minuten in Anspruch nahm. Wie die Milchproduktion nicht mehr gefühlt unkontrolliert verlief und ich nicht täglich mehrere Stilleinlagen durchweichte. Wie die kleinen Babyfingerchen über mein Dekolleté tanzten. Erst im Laufe der Zeit konnte ich das Stillen so richtig wertschätzen und sogar irgendwann genießen.
Tropfende Erinnerungen
Ich bin sehr froh darüber, dass ich mein Kind stillen konnte; denn es hat mir so viel abverlangt, dass ich gestärkt aus dieser Erfahrung gehe. Ich habe wieder mal erfahren, zu was der weibliche Körper (und Geist) fähig ist. Wie wohl am Ende einer jeden Beziehung hinterlässt auch diese zahlreiche Erinnerungen und sie sind bittersüß.