»Komm wir machen das heute!« sagt Sascha am Frühstückstisch.
»Hmm?« frage ich müde.
Unser Baby sitzt im Hochstuhl zwischen uns und kaut konzentriert an seinem Beißring.
»Den Spielbogen bauen, lass uns das heute endlich machen!«
Es ist ein grauer Herbsttag im Juni. Seit ungefähr 6 Wochen liegen die Utensilien für den Bau eines Spielbogens in einem Karton im Kinderzimmer. Wir haben uns das Projekt vor einiger Zeit in den Kopf gesetzt, waren daraufhin im Baumarkt und Bastelladen und haben alles euphorisch nach Hause gebracht. Seither liegt unsere Beute unberührt in der Ecke…
Wir schnappen uns also nach dem Frühstück unseren Babymann und ziehen gemeinsam zum Werkeln in sein Zimmer. Ich breite erstmal alles aus – Bestandsaufnahme. Wie hatten wir uns das nochmal gedacht? Ich habe mittlerweile außerdem fast vergessen, was wir alles besorgt hatten.
Während draußen dunkle Wolken Regen ankündigen und unser Baby in seinem Bett krabbeln übt, schrauben wir an unserem Projekt.
Sascha konstruiert das Grundgestell für den Spielbogen und ich sitze vor dem Haufen Bastelutensilien, die dem Baby am Spielbogen als Greifspielzeug dienen sollen. Möglicherweise habe ich im Bastelladen etwas übertrieben. Mit der Menge an Dingen könnte ich drei Spielbögen bestücken.
Wir sortieren, schrauben und fotografieren bis es Zeit wird fürs Mittagessen.
Der Bogen steht. Zwar ist er noch kahl und unbespielbar, aber man kann erkennen, was es werden soll. Wir sind stolz endlich dieses viel zu lang vernachlässigte Projekt wieder zum Leben erweckt zu haben und freuen uns über den sichtbaren Fortschritt.
Als wir vorerst alles zusammenräumen wundere ich mich: So lange haben wir dieses Bastelprojekt vor uns hergeschoben, dabei hat es bis jetzt schon so viel Spaß gemacht. Nach dem Mittagsschlaf will ich noch das Spielzeug an den Bogen knoten und hier und da muss noch eine Kante abgeschliffen werden; dann ist er ja eigentlich auch schon fertig…
3 Monate später
Unser Baby zieht sich fleißig am Couchtisch hoch, steht ein paar Sekunden und plumpst dann zufrieden auf den weichen Windelpo, während wir wieder am Frühstückstisch sitzen.
»Was wird denn jetzt eigentlich aus dem Spielbogen?« Frage ich in meine Tasse Tee. »Wie war da nochmal der Stand?«
»Du wolltest irgendwas basteln glaube ich.« schmiert mir Sascha aufs Brot.
»Aber meinst du, das lohnt sich noch…?«
Beide gucken wir hinüber zu Charlie, der begeistert hinunter auf seine stehenden Speckbeinchen schaut, die ihn wacklig halten. Er quiekt vor Freude und lässt sich wieder auf den Po fallen.
»Doch doooch«, sage ich unglaubwürdig, »er findet das bestimmt noch spannend; ich gucke mal, dass ich ihn Sonntag fertig mache.«
Nochmal 3 Monate später
Als ich einen, mit zu klein gewordenen Klamotten gefüllten, Beutel aus Charlies Zimmer räume, fällt mein Blick auf eine fast vergessene Kiste. Die Kiste mit Dingen für den Spielbogen. Der Spielbogen, der unser tolles selbstgebautes Geschenk von Mama und Papa werden sollte. Der nämlich viel besser ist, als alle, die man so kaufen kann. Schließlich haben wir uns viele Gedanken gemacht. Freuten uns darauf zu sehen, wie Charlie mit ihm spielt.
Aber er liegt noch immer hier, unfertig und fast vergessen. Und in diesem Moment, als ich höre, wie Charlie einen Ball in den Flur wirft und ich ihn kurz darauf an der offenen Zimmertür vorbeirennen sehe, wird mir klar, dass unser Projekt wohl keinen Sinn mehr ergibt. Unser Baby ist inzwischen nämlich gar kein Baby mehr. Er hat seinen ersten Geburtstag längst gefeiert und die Vorstellung, dass er ruhig auf dem Rücken unter einem Spielbogen liegt, wirkt lächerlich.
So gern wollte ich, dass er einen besonderen Spielbogen hat, einen von Mama und Papa eben. Einen, den er später auf Fotos sieht und sagt – den haben meine Eltern nur für mich gebaut.
Aber man muss sich auch mal eingestehen, was man eben nicht ist. Ich bin keine Superbastelmutti. Einfache Dinge selber zu machen macht mir Spaß, aber eben nur in einem bestimmten Rahmen. Ich glaube Instagram, Pinterest und Co. sind mir ein bisschen zu Kopf gestiegen. Als hätten wir mit dem Familienalltag nicht so auch schon genug zu tun.
Nicht schlimm. Da wir gerade kein Baby im Bekanntenkreis haben, werden wir die Einzelteile anderweitig verwenden und gut ist. Und es fühlt sich gut an das Projekt Spielbogen dann auch mal hinter sich zu lassen und nicht in dieser „eigentlich-könnte-ich-heute“-Ecke im Kopf verstauben zu sehen. Man muss eben manchmal auch loslassen können.
Warum einfach, wenns auch kompliziert geht
Wem die handelsüblichen Spielbögen wie mir damals auch zu langweilig sind, kann sich im Bastelladen austoben und allerhand eigenes Zeuch besorgen. Die Holzkonstruktion auch selbst zu machen empfinde ich mittlerweile als Unnötig. Neues Spielzeug dranzubammeln kostet nicht viel, vor allem nicht viel Nerven.