Stillen will gelernt sein. Eine der natürlichsten Dinge der Welt fliegt nur den wenigsten zu – Mama und Kind müssen sich in der Regel erst einspielen bevor sie gut als Team funktionieren.
»Durchhalten lohnt sich!«
Viele befreundete Mütter haben mir immer ans Herz gelegt nicht aufzugeben. Durchhalten lohnt sich wurde also zu meinem Mantra, nicht wissend was damit eigentlich gemeint war. Wie sieht denn die ideale Still-Routine aus? Unser Weg zu einem entspannten Stillen war nicht gerade kurz und wir haben dabei so einige Meilensteine passiert, die ich hier mal gesammelt habe.
Während der Schwangerschaft
Ich wachte eines morgens auf und entdeckte zwei kleine Flecken auf meinem Pyjama-Oberteil. Es war der siebte Monat meiner Schwangerschaft und offenbar war mein Körper bereits dabei sich auf die kommenden Anforderungen vorzubereiten. Er war da weiter als ich, denn stillen wurde in meiner Vorstellung erst nach die Geburt überhaupt zum Thema. Nach dem dritten Tag mit tropfender Brust kaufte ich mir schließlich Stilleinlagen* und kontrollierte fortan etwas paranoid regelmäßig meinen BH, ob auch alles gut sitzt.
Anlegen, abpumpen, Fingerfeeding
Die Geburt war gerade mal ein paar Stunden her und eigentlich wollte ich nur tief und fest schlafen, wie das frische Baby neben mir. Doch der Startschuss in Sachen stillen war schließlich gefallen. Vom Milcheinschuss gab es, wie wohl üblich, jedoch noch keine Spur. Etwas, das mich schon bei meiner Recherche während der Schwangerschaft überrascht hatte. Wieso lässt die Muttermilch eigentlich nach der Geburt noch ein paar Tage auf sich warten? Merkwürdig diese Natur.
Das erste Anlegen außerhalb des Kreißsaals verlief wenig erfolgreich. Baby und ich waren trotz Stillberaterin irgendwie orientierungslos. Der kleine Kopf suchte wild umher, verfehlte aber immer die Quelle und ich wusste nicht, wie ich helfen sollte.
»Bei den meisten klappt das Stillen erst zu Hause.«
Also wurde mir die klinikeigene Milchpumpe ans Bett gerollt und deren Benutzung erklärt. Das erste Mal saugte etwas an meiner Brust. Mechanisch. Es ist ein Gefühl das ich gar nicht beschreiben kann und nach 15 Minuten hielt ich triumphierend meine erste Milch aus eigener Produktion in der Hand. Ganze 3 ml! Ich war stolz wie Bolle über das erpumpte Kolostrum.
Man machte mir Mut und erklärte, dass es durchaus häufig erst zu Hause, in Ruhe und gewohnter Umgebung, mit dem Stillen funktioniert. Also pumpte ich weiter fleißig alle 3 Stunden meine Vormilch ab und versuchte parallel (vergeblich) das Kind an die Brust zu gewöhnen.
Babygeschrei und Hilflosigkeit
Auch zu Hause blieb der Erfolg beim Stillen zunächst aus. Jedes Anlegen führte zu vielen Tränen bei Baby und auch Mama. Ich war einfach hilflos, hatte ich doch alle Positionen probiert und auch sonst alle Tipps meiner Hebamme berücksichtigt. Meiner Meinung nach war einfach noch nicht genug Milch da und so wurde Charlie zunehmend ungeduldig bis nach ein paar Minuten jeglicher Stillversuch keinen Sinn mehr ergab. Mehrmals hat er sich derart in Rage geschrien das ich beinahe jede Hoffnung auf Besserung aufgegeben hatte.
Wir waren auf die Milchpumpe angewiesen und hatten am Tag der Entlassung aus der Klinik sicherheitshalber ein Exemplar von Medela aus der Apotheke ausgeliehen. Wenigstens das klappte problemlos und so pumpte ich tagein tagaus weiterhin fleißig das bisschen Milch ab, die dann via Fläschchen ins Baby wanderte. Glücklicherweise nahm Charlie gleich von Anfang an fleißig zu, so das ich mir keine Sorgen um sein Gewicht machen musste.
Endlich, der Milcheinschuss
Was sich wie Wochen anfühlte, waren letztendlich nur ein paar Tage bis endlich alles richtig in Wallung kam. Die Brust spannte und plötzlich lief die Milch. Baby war zwar mit dem ungewohnten Überfluss etwas überfordert, aber deutlich glücklicher über den Erfolg seiner Bemühungen.
Ein Hoch auf Stillhütchen
Trotz deutlicher Verbesserungen in unserer Teamarbeit war das Stillen weiterhin alles andere als entspannt. Nach wie vor suchte der Knirps mit weit aufgerissenem Schnabel orientierungslos meine Brust ab und auch die kleinen Händchen tasteten wild umher. War dann irgendwann der Nippel gefunden, schien die Menge an Milch zu überfordern; was zu vielen Trinkpausen führte und zu Unmut, man hatte ja schließlich Hunger. Die Frustration sprang früher oder später dann doch auf mich über und ich fragte mich, was an all dem so schwer sein mochte.
»Die Brust ist dem Baby zu groß, es hat Angst davor!«
Dieser und andere merkwürdige Gedanken kamen mir, als doch noch ziemlich frisch gebackener Mama. Zum Glück zückte meine Hebamme nach einigem Abwarten dann doch das kleine Still-Helferlein das alles sehr viel einfach machen sollte – das Stillhütchen*. Kaum war der Nippel-Adapter aufgesetzt verschwand er prompt in Babys Mund und erst Minuten später löste sich ein zufrieden lächelndes Gesicht mit Milchbart wieder von der leeren Brust.
Etwa 10 Tage lang habe ich Stillhütchen benutzt. Anfangs noch bei jeder Mahlzeit im Einsatz, habe ich mit der Zeit tagsüber das Hütchen immer mal während des Fütterns abgenommen. Nachts habe ich es erst dann nicht mehr zur Hilfe genommen, als das Trinken genauso gut geklappt hat wie am Tage.
Hallo Milchstau
Ganze drei Tage hielt unser Gute-Laune-Hoch über die neu erarbeitete Freiheit von jeglichen Stillhelfern an. Dann kamen Schüttelfrost, Gliederschmerzen und die Diagnose meiner Hebamme: Brustentzündung (Mastitis). Ich fühlte mich elend und das ständige Anlegen als beste Therapie war absolut anstrengend. In den Still-Pausen kühlte ich die Brust und schlief viel. Zusätzlich pumpte ich nach wie vor ab, damit die Milchgänge wieder frei wurden und die Produktion weiterhin ausreichend angeregt wurde. Mehr denn je war ich nun praktisch 24h am Tag nur mit meinen Brüsten beschäftigt.
Dabei hatte ich auch vor dem Milchstau schon das Gefühl das Stillen hauptberuflich zu machen. Zu diesem Zeitpunkt – etwa drei Wochen nach der Geburt – dauerte jede Still-Mahlzeit insgesamt fast 90 Minuten. Die laut meiner Hebamme anzustrebenden 20 Minuten pro Brust waren noch weit entfernt.
Ich hasse stillen, ich will nicht mehr
Die Mastitis hatte uns irgendwie aus der Bahn geworfen. Baby und ich gaben unser bestes, waren aber wieder zu vielen Tränen und Unruhe zurückgekehrt.
Wenn die Mutter entspannt ist, klappt es mit dem Stillen.
Ich nahm mir vor jedem Stillen ein paar Minuten Zeit, um mich bewusst zu entspannen. Neuer Versuch, neues Glück. Kein Stress! Mir blieb ja nichts anderes übrig, als möglichst optimistisch die Sache anzugehen und dem Baby eine neue Chance zu geben. Ich bin generell schon ein entspannter Typ und auch die Rangeleien zu Beginn einer jeden Fütterung atmete ich weg und redete dem Baby gut zu. Nun stillt man ja viele Male am Tag. Jeden Tag. Und so war dann doch eines Nachts mein Energie- und Motivationsspeicher leer. Nachdem das übermüdete und hungrige Baby erst nach 20 Minuten an-mir-herum-gereiße ernsthaft zu trinken begann, brach bei mir jeglicher Damm und die Tränen wollten nicht mehr aufhören. Ich schluchzte bitterlich und mir wurde bewusst, das sich da doch einiges unter meiner entspannten Oberfläche angestaut haben musste.
Auf die Frage meines besorgten Freundes was los sei hatte ich nur eine Antwort: Ich hasse stillen!
Bislang war bei mir die Euphorie rund um’s Thema stillen noch nicht aufgekommen. Wir hatten kurze Phasen in denen alles klappte, aber wie man das Stillen als tollste, innigste, erfüllende Erfahrung beschreiben konnte leuchtete mir nicht ein. Ich konnte auch anders mit meinem Kind sehr intensiv Zeit verbringen, dafür brauchte ich das Stillen nicht.
Stillen ohne Stützräder
Erst allmählich ging es nach diesem Tiefpunkt wieder bergauf. Gesundheitlich wieder auf der Höhe und einmal richtig ausgekotzt ging es mir bald besser und ich kehrte zurück zu meinem optimistischen Ich. Mit jedem Tag den Charlie älter wurde, schien sich auch seine Koordinationsfähigkeit zu verbessern. Außerdem bekam er durch sein schnell steigendes Gewicht mehr Kraft, was ihm zum effizienten Trinken verhalf.
Nachdem der erste Monat mit Baby rum war, hatten wir unsere Teamarbeit deutlich verbessert. Die Stillhütchen lagen nach wie vor unangerührt im Nachttisch und auch die Milchpumpe stand nur noch in der Ecke und wartete nun darauf wieder abgegeben zu werden.
Das einzige was mich nun noch beschäftigte, waren die Schmerzen bei jedem Anlegen. Die ersten 60 – 90 Sekunden waren äußerst schmerzhaft in der gesamten Brust. Das hatte nichts mit Wundsein zu tun, ich hatte das Gefühl richtig zu spüren, wie die Milch im wahrsten Sinne des Wortes in die Gänge kam. Wie sich später zeigte sollte es ganze drei Monate dauern, bis ich wirklich schmerzfrei stillen konnte.
Stillen wie die Profis
Nach Wochen täglicher mikro Fortschritte waren wir dann irgendwann Profis. Baby trinkt in 5 min eine Brust leer, um an der zweiten noch einen 2 min Nachtisch zu sich zu nehmen. Die Schmerzen hörten pünktlich zu Beginn des vierten Monats auf und ich konnte zum ersten Mal beim Stillen richtig entspannen.
Call me supermom!
Der Höhepunkt meines Stolzes lag in dem Moment, in dem ich das erste Mal außer Haus stillte. Problemlos, stressfrei und entspannt. Das Stillen war für uns tatsächlich zur Routine geworden.
Happy End?
Ich finde das Wichtigste ist tatsächlich, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Unsere Kinder verhungern nicht, wenn es mit dem Stillen nicht reibungslos klappt und niemand muss sich dafür schämen sein Kind mit Muttermilch oder Pre-Nahrung via Fläschchen zu füttern! Am meisten lastet wohl der Druck auf uns Müttern, den wir uns selbst auferlegen.
Und nach all den Wochen mit kleinen oder größeren Hürden im Erlernen des Stillens muss auch ich sagen: Durchhalten lohnt sich! ♥︎
*affiliate link