Ich krame meine Tasse aus dem Haufen Spielzeug, dass sich auf dem Tisch stapelt und lasse mich auf die Couch fallen. Die Abendsonne scheint durchs dreckige Fenster zu mir herein und streichelt mein zerzaustes Haar. Mein Feierabend beginnt mit einem großen Schluck Tee. Kaltem Tee. Ich trinke zu wenig!
Feierabend-Verdruss
Der Mann steht in der Küche und kümmert sich um das Abendessen, während ich angestrengt versuche seinen Erzählungen vom Tag unter Kollegen zu folgen. Es fällt mir äußerst schwer mich zu konzentrieren, ich bin total k.o.
Aber wovon eigentlich? Heute war ein handelsüblicher Tag meiner Elternzeit. Das Baby hat unsere Nacht gegen 6 Uhr für beendet erklärt. Gar nicht so schlecht eigentlich. Den Vormittag habe ich mit Haushaltsdingen verbracht, gegen Mittag haben der Babymann und ich Erledigungen getätigt, waren im Kiez spazieren und sind zum Nachmittagssnack und Nickerchen wieder zu Hause eingekehrt.
Während der halben Stunde Mittagsschlaf, die Charlie penibel wie immer absolviert hat, konnte ich ein bisschen was am Rechner erledigen und Stulle mit Brot essen.
Der Nachmittag ging mit Spielen und Essen machen schnell vorbei, bis dann Papa irgendwann nach Hause kam und das Abendritual mit dem Gang ins Bett gipfelte.
Ein schöner Tag und trotzdem wabert in mir irgendwie ein unbehagliches Gefühl.
Volle, ereignislose Tage
In der Küche brodelt und zischt es mittlerweile aus diversen Töpfen.
»Und was war bei euch so los?«
Die Frage schwebt durch den Dampf zu mir herüber und erwischt mich kalt…
»Die Waschmaschine hat die Flecken aus dem Schlafanzug tatsächlich herausbekommen!«
Nein!
»Im Supermarkt haben sie extra für uns eine neue Kasse geöffnet.«
Uff.
»Ich habe zwei Pakete für die Nachbarn angenommen.«
Letztlich entscheide ich mich für die banalste der Antwortmöglichkeiten:
»Das Übliche; nichts besonderes eigentlich.«
Alles erledigt und nichts geschafft
Das kann doch nicht sein, ich war den ganzen Tag beschäftigt und habe trotzdem das Gefühl nichts vorweisen zu können. Was war denn das ganze nichts heute, dass meine Zeit ja nun doch irgendwie ausgefüllt hat?
- Wäsche waschen
- Essen machen
- Essen verfüttern
- Kind waschen
- Hochstuhl waschen
- Kind umziehen
- Windeln wechseln
- Selbst etwas essen
- Wäsche aufhängen
- Hasen füttern
- Blumen gießen und ihren hängenden Blättern Mut zureden
- Einkaufen gehen
- Einkauf einräumen und das Baby regelmäßig aus dem Einkaufsbeutel sammeln
- Dem Baby die Bedeutung des Wortes Nein beibringen
- Pakete für die Nachbarn annehmen
- Den Hasen vorm Baby retten, dass voller Eifer in sein Fell zu greifen versucht
- Nochmals geduldig daran erinnern was Nein bedeutet
- Das Baby dabei ermutigen, sich am Tisch hochzuziehen
- Gemeinsam mit dem Baby seinen Triumph feiern, dass er selbstständig aufgestanden ist
- Das weinende Baby trösten, dass sich gerade den Kopf angerammelt hat
- Das weinende Baby trösten, dem gerade die Spielzeug-Ente unter die Couch gerollt ist
- Das offenbar müde Baby ins Bett legen
- …
Ich habe nichts geschafft. Nichts für mich.
Habe keinen Blogartikel geschrieben, meinen Verwandten keine Bilder vom Nesthäkchen geschickt und keine Fotos vom DIY gemacht, dass seit über einer Woche fertig im Kinderzimmer liegt. Mir nicht die Haare gewaschen, keine Serie geguckt und kein Kapitel im Buch gelesen. Ich habe die zu klein gewordenen Babyklamotten nicht aussortiert, meine Nägel nicht lackiert und auch keinen Friseurtermin gemacht.
Nichts für die Wohnung: Nichts ausgemistet, umgeräumt, verkauft, nichts geputzt. Meine Bemühungen dienen lediglich dem Erhalt des Normalzustands.
Mütter haben die höchsten Ansprüche
Ich schlürfe den letzten Rest kalten Tees aus meiner Tasse und stelle fest, dass ich mal wieder an einem Punkt in meinem Leben angekommen bin, an dem ich schon das ein oder andere Mal war: ich muss mich selbst bremsen! Muss aufhören seitenweise To-do-Listen zu führen und einen Gang herunterschalten. Schließlich fahre ich jetzt Kinder- statt Sportwagen.
Der Ursprung meiner Unzufriedenheit bin ich selbst
Es passiert mir immer wieder – ich plane, wie in Zeiten, als nur ich selbst für meinen Tagesablauf verantwortlich war. Das diese selbstbestimmteren Zeiten längst hinter mir liegen scheine ich regelmäßig zu vergessen. Dabei habe ich schon in der Schwangerschaft lernen müssen, einem anderen Takt zu folgen. Damals war der kleine Dirigent noch im Bauch, heute tapst er um meine Beine herum und gibt weiterhin den Ton an.
Kampf den To-do-Listen in Endlosschleife!
Prioritäten setzen gehört zu meinem Job – egal ob zu Hause oder im Büro. Ich möchte mehr würdigen, was ich für meine Familie schaffe und weniger daran denken, was ich noch hätte in einen Tag quetschen und erreichen können. Daher, Memo an mich (und vielleicht auch dich?):
♥︎ Keine Todo Listen mehr!
Was wirklich wichtig ist, hat sowieso einen Termin im Kalender oder kommt von ganz allein wieder zurück in den Kopf.
♥︎ Go with the flow!
Genieß die Zeit mit dem kleinen Baby in vollen Zügen und stresse dich nicht zu sehr damit, was du ohne Arbeit im Büro doch alles schaffen könntest.
♥︎ Unterschätze nicht, was du alles leistest!
Wir Mamas und Papas haben Übervollzeitjobs!
Was du als Elternteil jeden Tag meisterst, ist fabelhaft! Sei nicht zu hart zu dir und schenke dir selbst mehr Anerkennung! Auch falls du abends vielleicht nicht viel Neues berichten kannst, du verdienst das Gefühl von Erfolg aus tiefstem Herzen.